Wie aus Jagen und Sammeln Hegen und Pflegen wurde.

Kennt ihr sie, die ASMR-Videos? Da knistert es mal von links nach rechts, von weiter weg bis ganz nah. Kinetischer Sand in sanften Farben wird hin- und hergeschoben und umgeformt. Ganz ausmachen können wir nicht, wieso ASMR-Content so eine beruhigende Wirkung auf uns hat, aber das ist auch nicht weiter tragisch, oder? Let’s just keep watching.

Schuhe, Schuhe, Schuhe

Zur Sammlerin war ich geworden. Diese Farbe noch, dieses Modell noch, dann sieht es auch viel hübscher aus, wie sie nebeneinander im Schrank stehen. Und nicht irgendwelche Schuhe: Von Valentino, Chanel, Aquazzura mussten sie sein. Und bloß nichts gewöhnliches.

Versteht mich nicht falsch: Ich liebe schöne Schuhe nach wie vor, aber meine Prioritäten haben sich verschoben. Mein Sinn für Qualität war immer schon da. Aber jetzt zählt auch die Quantität. Die niedrige, in dem Fall.

Und dann ging’s los:

Nach einer Odyssee an Versuchen, meine Chanel-Ballerinas zu retten, die ein Schuster (!) ruiniert hatte, kam ich schließlich zu dem YouTube-Video, das alles änderte. Im typischen ASMR-Stil wird darin genau das Modell an Ballerinas liebevoll restauriert, das ruiniert in meinem Schrank stand – und das ganze ist bis ins kleinste Detail dramaturgisch durchdacht und ästhetisch aufbereitet. Und sooo befriedigend, dass ich direkt in die Thematik hineintappte und nach kürzester Zeit, halb zur Entspannung, halb aus Interesse am Handwerk den Großteil der Videos auf dem Channel durchgebinged hatte. Was alles möglich ist, wenn die Ausgangslage stimmt! Schuhe, bei denen Jesus eifersüchtig wird, weil sie schon komplett tot aussehen, entgegen aller Erwartungen wieder völlig revitalisiert werden und jemand wieder auf ihnen drauf-(er)-steht.
Und dann, selbst ist der Konsument, legte ich selbst Hand an, et voilà, das delikate Lammleder meiner Ballerinas erstrahlte, als wäre nie etwas gewesen. Ungefähr wie mein Ex, nachdem er mich sich mal wieder unmöglich aufgeführt hatte. Aber hey, konzentrieren wir uns auf die Dinge, die wir verbessern können: Alte, abgetragene, scheinbar unbrauchbare Schuhe, die man normalerweise entsorgen würde. Nachhaltig wäre das aber nicht.

I’ve changed, I promise

Mittlerweile versuche ich nicht nur aus den Schuhen in meinem Schrank das meiste herauszuholen und sie so zu hegen und pflegen, dass sie potenzielle Forever Shoes sind. Ich kaufe auch ganz anders ein. Mit der Überlegung nämlich, ob das Objekt der Begierde reparabel ist, wenn einmal jemand Champagner drüberschüttet, oder, you know, man in etwas weniger glamouröses steigt. Zeitlos müssen sie sein, zu allem passen, auch noch in zehn Jahren. Wenn sie dann noch wirklich einen need erfüllen, der akut ist, dürfen sie einziehen. Und werden dann gehegt, gepflegt, geliebt.

Schuhe, deren Kauf ich nicht bereue

• Klassische Chanel-Ballerinas
• Alle Modelle von Högl, die ich jemals gekauft habe
• das war’s, ehrlich gesagt.